Fünf Fragen an Dennis Vogel, sportlicher Leiter Jugendfußball, TSV Reichenbach e.V.

Sportredaktion (SR): Dennis, in Reichenbach dreht sich vieles wieder um den Jugendfußball. Was habt Ihr Euch für die Zukunft vorgenommen?
Dennis Vogel (DV): Rein sportlich betrachtet, wollen wir mittelfristig wieder an die sehr erfolgreichen Zeiten vergangener Tage anknüpfen. Für die höheren Altersbereiche ist es unser Anspruch, die ersten Mannschaften mindestens in der Landesliga auf Punktejagd zu schicken und sich so in der Region (wieder) als zweite Kraft hinter dem KSC zu etablieren. Uns ist dabei aber bewusst, dass dies zwangsläufig mit einer gewissen Professionalisierung und konkret vor allem mit zertifizierten Übungsleitern einhergehen muss. Insgesamt haben sich die Zeiten rasant verändert: Es müssen Strategien entwickelt werden, um die Kräfte von Fachpersonal und Ehrenämtlern synergetisch zu bündeln, um chronischem Zeitmangel die Stirn bieten zu können.
Dass wir über die sportlichen Ziele hinaus aber auch einen sozial-breitensportlichen Auftrag haben, ist mir persönlich sehr wichtig. So ist es mindestens genauso bedeutend, weiterhin allen Kindern aus der Kommune eine sinnvolle Alternative zur Konsole zu sein. Dies alles im Spannungsfeld nachlassenden ehrenamtlichen Engagements, einer sinkenden Zahl von Jugendfußballern in Deutschland sowie einer überehrgeizigen aber oft nur passiven Elternschaft zu meistern, ist die große Herausforderung.
SR: Der TSV Reichenbach e.V. wird ab Sommer 2020 DFB Stützpunkt! Was versprecht Ihr Euch davon?
DV: Mit der Ansiedelung der DFB-Talentförderung in Reichenbach geht für mich persönlich ein kleiner Traum in Erfüllung. Ich selbst war vor mehr als 20 Jahren bereits Mitglied am Stützpunkt – damals noch in der Sportschule Schöneck. Im Rahmen der Schaffung meiner Zulassungsvoraussetzungen für die anstehende Elitejugendlizenz habe ich mich jüngst im Rahmen von Hospitationen erst wieder von der Qualität der Übungseinheiten überzeugen dürfen. Ebensolche direkt bei uns in Reichenbach auszurichten, ist eine tolle Sache. Der eine oder andere Trainer des TSV dürfte den DFB-Kollegen gewiss bald bei Gelegenheit einmal über die Schulter schauen. Ich bin mir dabei sicher: So manches junge Trainertalent (beispielsweise Tino Naumann oder Yannik Rolf) wird ohnehin bald noch von sich hören machen.
Überdies bedeutet das Stützpunkttraining aber auch die Fortführung der stets guten Beziehungen zum Verband, mit dem sich ein ambitionierter Verein wie wir zwingend im stetigen Dialog befinden sollte. Durch die Bereitstellung von Plätzen und Anlagen unterstreicht der TSV außerdem seine Willkommenskultur und fördert den Austausch von Vereinen und Eltern auf dem eigenen Gelände. Dass sich dabei natürlich auch das eine oder andere Talent von der besonderen Infrastruktur bei uns vor Ort überzeugen kann, ist nur ein weiterer schöner Nebeneffekt.
SR: Die Rückrunde startet Anfgang März, was haben sich Eure Jugendmannschaften für die Rückrunde vorgenommen?
DV: Es ist davon auszugehen, dass wir den Aufstieg der U19 in die Landesliga leider abhaken müssen; zu stark hier einfach die Konkurrenz aus Beiertheim. Die Erreichung unseres Primärziels allerdings, den Aufstieg der U17, halte ich indes für sehr realistisch. Coach Josef Abou El-Naga (Erstkontakt zu Josef seinerzeit im Übrigen über Verbindungen zum Stützpunkt) ist es in überzeugender Manier gelungen, aus vielen guten Einzelspielern ein Kollektiv zu formen, das überaus ansehnlichen Fußball spielt. In Sachen spielerischer Attraktivität war das in meinen Augen ein Quantensprung, auch wenn ich aus Zeitgründen leider nur wenige Partien sehen konnte. Die Balance zwischen Weiterentwicklung und Ergebnisorientierung scheint meinem Trainerkollegen jedenfalls hervorragend zu gelingen, das Team steht nämlich an der Tabellenspitze. Was die U15 betrifft, wäre der Verbandsliga-Klassenerhalt sozusagen die Kür zum vorgenannten Pflichtprogramm. Bei der U13 hoffen wir sehr, dass der sich abzeichnende Aufstieg in die höchste Karlsruher Spielklasse letztlich auch so erfolgen wird. Mit deren Unterbaufunktion wird das gemeinhin wohl etwas unterschätzt. In den jüngeren Jugenden ist bekanntermaßen das Ergebnis und die Tabelle nur als sekundär zu bewerten. Die technisch-koordinative Grundausbildung über maximal geringe Standzeiten in den Übungseinheiten (mein persönlicher Qualitätsfeldzug) steht hier an oberster Stelle. Dennoch: Es ist natürlich schön, dass wir in jedem Altersbereich überdurchschnittlich gut aufgestellt sind. Dass insbesondere der Jahrgang 2011 überregional für Furore sorgt, stimmt uns darüber hinaus natürlich alle sehr stolz. Anders als allenthalben propagiert, ist es meiner Ansicht nach gerade vor dem Hintergrund der angestrebten Persönlichkeitsentwicklung weiter wichtig, Tore zu zählen und die Kinder mit Sieg und Niederlage zu konfrontieren. Die Hauptaufgabe des Trainers ist vielmehr, beide Situationen und die daraus entstehenden Gefühlswelten möglichst gleich oft herzustellen. Nur so lässt sich auch der jeweilige Umgang damit schulen. Ganz davon abgesehen, dass es in meinen Augen mehr als naiv ist, zu glauben, dass das Ergebnis für die Kleinsten keine Rolle spielen würde.
SR: Du selbst bist nebenher noch Cheftrainer der U15 welche in die Verbandsliga aufgestiegen ist. Wie bewertest Du die Vorrunde und was sind Deine Ziele für die Rückrunde?
DV: Wir haben aktuell drei Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz. Vor dem Hintergrund, dass wir in der Jugendabteilung gemeinsam lange überlegt hatten, das Aufstiegsrecht mangels realistischer Konkurrenzfähigkeit und Strukturen gar abzugeben, sind die nackten Zahlen aktuell also sensationell. Es mehren sich aber dennoch Stimmen, dass in dieser besonderen Mannschaft sogar noch mehr steckt – ich kann da auch gar nicht länger widersprechen. Die Jungs werden jede Woche besser und holen auch im Vergleich mit den vorderen Mannschaften weiter auf. Auch ich selbst habe hier an Erkenntnis gewonnen und meine Spielphilosophie vom puren Ballbesitz nach anfänglich gehäuften Niederlagen und dem zwischenzeitig letzten Tabellenrang überdenken müssen. Natürlich wurden wir seinerzeit nämlich alle etwas ungeduldig, als wir bei allem Lob für unsere Spielweise immer wieder unverdient mit leeren Händen dastanden. Also wurde beispielsweise das Langebälle-Verbot aufgehoben und wir alle haben mittlerweile akzeptiert und auch für uns angenommen, dass die Liga (leider) sehr körperlich ist. Mit Blick auf die Tabelle liegt das Ziel natürlich auf der Hand. Diese unglaublichen Typen haben einfach keinen Abstieg verdient.
SR: Der Jugendfußball wird in vielen Amateurvereinen vernachlässigt. Warum schafft Ihr es in Reichenbach den Fokus auf die Jugendarbeit zu legen und andere Vereine schaffen dies nicht?
DV: Zum einen ist die Jugend natürlich neben den Aktiven das Aushängeschild des Vereins. Die Multiplikatorwirkung der Juniorenmannschaften bedeutet allwöchentlich ein nicht zu unterschätzendes blauweißes Marketing in der Region. So machen wir uns durch unsere jüngsten Erfolge auch für Sponsoren und Talente aus der Region wieder attraktiv. Dass wir bei Hallenturnieren mit zehn Mannschaften mitunter noch das letzte verbliebene Team ohne den Vornamen „JSG“ sind, gibt dem „TSV“ oft die ganz besondere Note.
Wir haben außerdem verstanden, dass es wichtig ist, unsere Talente über die Jahre mit Stallgeruch zu versehen. So ist es doch nur naheliegend, dass ein Spieler, der schon mehrere Jahre in der Jugend für uns aktiv war, dann – wenn im Bereich der Aktiven angekommen – mit mehr Vereinsbindung einfach wertvoller und durchschlagender ist. Außerdem können wir natürlich alle rechnen: Jedes Talent, das den Sprung in die erste Mannschaft schafft, spart unnötige Transfergelder. Wenn umgekehrt einer der ganz großen Vereine uns eines Tages einen begnadeten Kicker wie beispielsweise Leo Gomero wegschnappt, haben wir finanziell gegebenenfalls über Jahrzehnte sicherlich dadurch keine Nachteile. Über die vermeintlichen Versäumnisse der anderen Vereine möchte ich nicht urteilen.